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Ein Jahr EU-Türkei Deal – Flüchtlingsabwehr um jeden Preis
Am 20. März 2017 ist der EU-Türkei Deal seit genau einem Jahr in Kraft – ein trauriger Jahrestag für den Flüchtlingsschutz in Europa. Griechenland ist seitdem zu einem Freiluftgefängnis für Tausende Menschen geworden. Die Bedingungen sind erbärmlich.
Seit einem Jahr haben Schutzsuchende, die auf den griechischen Inseln anlanden, keinen Zugang mehr zu einem regulären Asylverfahren, bei dem ihre Asylgesuche inhaltlich geprüft werden würden. Stattdessen soll in einem Schnellverfahren in den sogenannten EU-Hot Spots lediglich geprüft werden, ob sie in der Türkei bereits sicher waren, womit ihr Asylgesuch in Europa unzulässig sei. Theoretisch sollte dieses Unzulässigkeitsverfahren ermöglichen, möglichst viele Menschen direkt aus den Hot Spots in die Türkei abzuschieben.
Tote in den Hot-Spots
Die griechischen Ägäis-Inseln sind mittlerweile zu einem Freiluftgefängnis geworden. Die EU hat die permanente humanitäre Krise dort geschaffen und konserviert. Tausende Menschen werden bereits monatelang auf den griechischen Inseln unter erbärmlichen Bedingungen festgehalten, welche bewusst so geschaffen wurden, um weitere Flüchtlinge abzuschrecken. In den vergangenen Wintermonaten sind dort mindestens fünf Menschen aufgrund der katastrophalen Zustände gestorben.
Asylrechtsverschärfungen auf EU-Anweisung
Das griechische Asylrecht wurde mehrfach auf Anweisung aus Brüssel und Berlin verschärft, um es kompatibel mit dem Deal zu machen: Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der griechischen Asylinstitutionen werden geopfert, denn es geht nur um Vollzug: Abschiebungen in den vermeintlich »sicheren Drittstaat Türkei«.
Über 1000 Abschiebungen in die Türkei
Von den 27.000 Personen, die zwischen dem 20. März 2016 und dem 31. Dezember 2016 auf den griechischen Inseln angekommen sind, wurden bis zum 17. Januar 2017 etwa 4.500 Menschen aufs Festland gebracht. Fast 15.000 Schutzsuchende befinden sich noch immer in den Hotspots, von etwa 5.000 Menschen fehlt jede Spur.
Insgesamt wurden, laut EU-Kommission vom 02.03.2017, seit dem Inkrafttreten des Deals 1.487 Menschen in die Türkei »rückgeführt«, Sie stammten vor allem aus Pakistan, Algerien, Afghanistan und dem Irak. In der Türkei werden die Zurückgeschobenen inhaftiert. Es ist extrem schwierig, Zugang zu ihnen zu erhalten, wie auch die Rechtsanwält*innen der PRO ASYL Partnerorganisation Mülteci-DER feststellen mussten.
Kaum Zugang zu den Abgeschobenen
Weiterhin haben die Betroffenen seit ihrer Rückschiebung in die Türkei offenbar keine Informationen darüber erhalten, was mit ihnen geschehen und wie lange sie inhaftiert bleiben würden. Eine Beobachtung der Situation Zurückgeschobener durch Institutionen der EU ist in dem Deal nicht vorgesehen. Bekannt ist der Europäischen Kommission allerdings, dass bis zum 8. Dezember 2016 insgesamt 417 der aus Griechenland abgeschobenen Personen weiter in ihre Herkunftsstaaten – wie u.a. Afghanistan und Irak – abgeschoben worden sind.
Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) hat in einem Schreiben vom 23. Dezember 2016 an unsere Anwältin in Athen eingestanden, dass auch UNHCR Türkei nur einen sehr eingeschränkten Zugang und zwar nur zu einem kleinen Teil der aus Griechenland abgeschobenen Flüchtlinge hat.
Immer noch kein Asylverfahren auf den Inseln
Auf den griechischen Inseln hatten viele der fast 15.000 Festgehaltenen noch nicht mal die Möglichkeit, überhaupt mit Beamten der Asylbehörde zu sprechen, geschweige denn Zugang zu einem fairen Verfahren zu finden. Doch anstatt dafür zu sorgen, dass die Schutzsuchenden endlich die Hot-Spots verlassen können, schlägt die Europäische Kommission in einem Aktionsplan von Dezember 2016 das Gegenteil vor:
Die EU verfolgt mit dem Deal lediglich ein Ziel: Schutzsuchende im wahrsten Sinne des Wortes um jeden Preis abzuwehren.
Bislang wurden besonders schutzbedürftige Personen und Menschen, die im Rahmen einer Familienzusammenführung legal in einen anderen EU-Mitgliedsstaat ausreisen könnten, nicht dem Unzulässigkeitsverfahren auf den Inseln unterworfen und stattdessen zum Asylverfahren auf das Festland gebracht.
Doch nun soll das griechische Parlament nach Willen der Kommission die bestehenden Gesetze verschärfen und damit ermöglichen, dass auch diese Menschen auf den Inseln festgehalten werden. Im Zuge dessen sollen noch mehr Hafteinrichtungen auf den Inseln entstehen.
Den Deal endlich beenden!
Ein Jahr nach Beginn des menschenverachtenden Großversuchs zeigt sich, dass Flüchtlinge von der EU und der Türkei nur als Manövriermasse gesehen werden bei wechselseitigen Erpressungsversuchen. Menschenrechte und –würde spielen dabei keine Rolle. Die EU verfolgt mit dem Deal lediglich ein Ziel: Schutzsuchende im wahrsten Sinne des Wortes um jeden Preis abzuwehren.