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Protest gegen den Deal: Flüchtlinge demonstrieren im April 2016 auf Chios. Foto: picture alliance / NurPhoto

Am 20. März 2017 ist der EU-Türkei Deal seit genau einem Jahr in Kraft – ein trauriger Jahrestag für den Flüchtlingsschutz in Europa. Griechenland ist seitdem zu einem Freiluftgefängnis für Tausende Menschen geworden. Die Bedingungen sind erbärmlich.

Seit einem Jahr haben Schutz­su­chen­de, die auf den grie­chi­schen Inseln anlan­den, kei­nen Zugang mehr zu einem regu­lä­ren Asyl­ver­fah­ren, bei dem ihre Asyl­ge­su­che inhalt­lich geprüft wer­den wür­den. Statt­des­sen soll in einem Schnell­ver­fah­ren in den soge­nann­ten EU-Hot Spots ledig­lich geprüft wer­den, ob sie in der Tür­kei bereits sicher waren, womit ihr Asyl­ge­such in Euro­pa unzu­läs­sig sei. Theo­re­tisch soll­te die­ses Unzu­läs­sig­keits­ver­fah­ren ermög­li­chen, mög­lichst vie­le Men­schen direkt aus den Hot Spots in die Tür­kei abzuschieben.

Tote in den Hot-Spots

Die grie­chi­schen Ägä­is-Inseln sind mitt­ler­wei­le zu einem Frei­luft­ge­fäng­nis gewor­den. Die EU hat die per­ma­nen­te huma­ni­tä­re Kri­se dort geschaf­fen und kon­ser­viert. Tau­sen­de Men­schen wer­den bereits mona­te­lang auf den grie­chi­schen Inseln unter erbärm­li­chen Bedin­gun­gen fest­ge­hal­ten, wel­che bewusst so geschaf­fen wur­den, um wei­te­re Flücht­lin­ge abzu­schre­cken. In den ver­gan­ge­nen Win­ter­mo­na­ten sind dort min­des­tens fünf Men­schen auf­grund der kata­stro­pha­len Zustän­de gestor­ben.

Asylrechtsverschärfungen auf EU-Anweisung

Das grie­chi­sche Asyl­recht wur­de mehr­fach auf Anwei­sung aus Brüs­sel und Ber­lin ver­schärft, um es kom­pa­ti­bel mit dem Deal zu machen: Rechts­staat­lich­keit und Unab­hän­gig­keit der grie­chi­schen Asy­l­in­sti­tu­tio­nen wer­den geop­fert, denn es geht nur um Voll­zug: Abschie­bun­gen in den ver­meint­lich »siche­ren Dritt­staat Türkei«.

1.487

Flücht­lin­ge wur­den aus Grie­chen­land in die Tür­kei »rück­ge­führt«

Über 1000 Abschiebungen in die Türkei

Von den 27.000 Per­so­nen, die zwi­schen dem 20. März 2016 und dem 31. Dezem­ber 2016 auf den grie­chi­schen Inseln ange­kom­men sind, wur­den bis zum 17. Janu­ar 2017 etwa 4.500 Men­schen aufs Fest­land gebracht. Fast 15.000 Schutz­su­chen­de befin­den sich noch immer in den Hot­spots, von etwa 5.000 Men­schen fehlt jede Spur.

Ins­ge­samt wur­den, laut EU-Kom­mis­si­on vom 02.03.2017, seit dem Inkraft­tre­ten des Deals 1.487 Men­schen in die Tür­kei »rück­ge­führt«, Sie stamm­ten vor allem aus Paki­stan, Alge­ri­en, Afgha­ni­stan und dem Irak. In der Tür­kei wer­den die Zurück­ge­scho­be­nen inhaf­tiert. Es ist extrem schwie­rig, Zugang zu ihnen zu erhal­ten, wie auch die Rechtsanwält*innen der PRO ASYL Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on Mül­teci-DER fest­stel­len mussten.

Kaum Zugang zu den Abgeschobenen

Wei­ter­hin haben die Betrof­fe­nen seit ihrer Rück­schie­bung in die Tür­kei offen­bar kei­ne Infor­ma­tio­nen dar­über erhal­ten, was mit ihnen gesche­hen und wie lan­ge sie inhaf­tiert blei­ben wür­den. Eine Beob­ach­tung der Situa­ti­on Zurück­ge­scho­be­ner durch Insti­tu­tio­nen der EU ist in dem Deal nicht vor­ge­se­hen. Bekannt ist der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on aller­dings, dass bis zum 8. Dezem­ber 2016 ins­ge­samt 417 der aus Grie­chen­land abge­scho­be­nen Per­so­nen wei­ter in ihre Her­kunfts­staa­ten – wie u.a. Afgha­ni­stan und Irak – abge­scho­ben wor­den sind.

Das Flücht­lings­kom­mis­sa­ri­at der Ver­ein­ten Natio­nen (UNHCR) hat in einem Schrei­ben vom 23. Dezem­ber 2016 an unse­re Anwäl­tin in Athen ein­ge­stan­den, dass auch UNHCR Tür­kei nur einen sehr ein­ge­schränk­ten Zugang und zwar nur zu einem klei­nen Teil der aus Grie­chen­land abge­scho­be­nen Flücht­lin­ge hat.

Immer noch kein Asylverfahren auf den Inseln

Auf den grie­chi­schen Inseln hat­ten vie­le der fast 15.000 Fest­ge­hal­te­nen noch nicht mal die Mög­lich­keit, über­haupt mit Beam­ten der Asyl­be­hör­de zu spre­chen, geschwei­ge denn Zugang zu einem fai­ren Ver­fah­ren zu fin­den. Doch anstatt dafür zu sor­gen, dass die Schutz­su­chen­den end­lich die Hot-Spots ver­las­sen kön­nen, schlägt die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on in einem Akti­ons­plan von Dezem­ber 2016 das Gegen­teil vor:

Die EU ver­folgt mit dem Deal ledig­lich ein Ziel: Schutz­su­chen­de im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes um jeden Preis abzuwehren. 

Bis­lang wur­den beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge Per­so­nen und Men­schen, die im Rah­men einer Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung legal in einen ande­ren EU-Mit­glieds­staat aus­rei­sen könn­ten, nicht dem Unzu­läs­sig­keits­ver­fah­ren auf den Inseln unter­wor­fen und statt­des­sen zum Asyl­ver­fah­ren auf das Fest­land gebracht.

Doch nun soll das grie­chi­sche Par­la­ment nach Wil­len der Kom­mis­si­on die bestehen­den Geset­ze ver­schär­fen und damit ermög­li­chen, dass auch die­se Men­schen auf den Inseln fest­ge­hal­ten wer­den. Im Zuge des­sen sol­len noch mehr Haft­ein­rich­tun­gen auf den Inseln entstehen.

Den Deal endlich beenden!

Ein Jahr nach Beginn des men­schen­ver­ach­ten­den Groß­ver­suchs zeigt sich, dass Flücht­lin­ge von der EU und der Tür­kei nur als Manö­vrier­mas­se gese­hen wer­den bei wech­sel­sei­ti­gen Erpres­sungs­ver­su­chen. Men­schen­rech­te und –wür­de spie­len dabei kei­ne Rol­le. Die EU ver­folgt mit dem Deal ledig­lich ein Ziel: Schutz­su­chen­de im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes um jeden Preis abzuwehren.