News
Dauerbrenner »Lager in Nordafrika«: Absage an den Flüchtlingsschutz
Heute will Angela Merkel mit dem tunesischen Premierminister über Auffanglager in dem nordafrikanischen Land diskutieren. Ein funktionierendes Schutzsystem gibt es in Tunesien aber nicht.
Nach den jüngst auf Malta beschlossenen EU-Abwehrmaßnahmen, die sich in erster Linie auf die Kooperation mit Libyen beziehen, will Angela Merkel heute mit ihrem tunesischen Amtskollegen Youssef Chahed in Berlin über erleichterte Rückführungen und die Einrichtung von Lagern in Tunesien diskutieren. Die altbekannte Debatte um »Lager in Nordafrika« geht in die nächste Runde unter dem Motto: Absage an den Flüchtlingsschutz in Europa.
Bereits vor einer Woche forderte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, Flüchtlinge in Lager nach Nordafrika zurückzubringen und hatte damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Dass die Zustände in Libyen für Flüchtlinge unerträglich sind, wurde inzwischen von Oppermann und Teilen der SPD eingesehen. Oppermann brachte stattdessen Länder wie Marokko und Tunesien ins Spiel.
Verantwortung für Flüchtlingsschutz wird ausgelagert
Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière wirbt seit Monaten für Hot Spots in Tunesien. Schutzsuchende sollen unter allen Umständen daran gehindert werden, das europäische Festland zu erreichen und damit Zugang zu einem Asylverfahren zu bekommen. Stattdessen sollen sie in Lager in Nordafrika zurückverfrachtet werden, in denen es keinen Zugang zu einem fairen Asylverfahren gibt.
Flüchtlinge in Nordafrika schutzlos
Sollten die Pläne des Bundesinnenministeriums Realität werden, würden Auffanglager in Nordafrika, – etwa in Tunesien – der EU Tür und Tor öffnen, ohne jeden Skrupel sukzessive die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz auf Länder zu schieben, in denen kein Schutzsystem für Flüchtlinge existiert. Es besteht kein Zugang zu einem Asylverfahren, geschweige denn die Möglichkeit, negative Behördenentscheidungen von einem Gericht überprüfen zu lassen.
Tunesien verfügt über kein funktionierendes Asylsystem. Das Land mag die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet haben; entscheidend ist jedoch ihre Umsetzung – und diese ist nicht vorhanden.
Dramatische Menschenrechtslage in Tunesien
Ein am 13. Februar veröffentlichter Bericht von Amnesty International unterstreicht, dass auch im lange als stabil geltenden Tunesien Menschenrechtsverletzungen ein dramatisches Ausmaß angenommen haben. So komme es insbesondere zu massiven Übergriffen durch die Sicherheitskräfte sowie zu Folter und Todesfällen in Haftanstalten, berichtet Amnesty.
Dass Merkel Tunesien mit Blick auf die Kooperationsvorhaben als »Hoffnungsprojekt« in der Region bezeichnete, grenzt an eine Täuschung der Öffentlichkeit. Wider besseres Wissen versucht die Bundesregierung seit vergangenem Jahr, Tunesien als ein »sicheres Herkunftsland« einzustufen.
Individuelles Asylrecht in der EU unerreichbar
Die Einrichtung von Flüchtlingslagern in Nordafrika würde das individuelle Recht auf Asyl in der EU weiter unterlaufen. Schutzsuchenden bliebe der Zugang zum Asylverfahren auf europäischem Boden verwehrt.
Tunesien verfügt über kein funktionierendes Asylsystem. Ein rechtsstaatliches Verfahren, in dem die individuellen Fluchtgründe gewürdigt und negative Behördenentscheidungen von einem Gericht überprüft werden, gibt es nicht. Tunesien mag die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet haben; entscheidend ist jedoch ihre Umsetzung und diese ist nicht vorhanden.
Legale und sichere Wege öffnen!
Mit dubiosen Abschottungskooperationen wird der Flüchtlingsschutz immer weiter ausgelagert, während die Todeszahlen an Europas Außengrenze weiter steigen. Allein in den ersten eineinhalb Monaten sind bereits 256 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen – solange keine gefahrenfreie Fluchtwege bestehen, wird das Massensterben weitergehen.
Die EU muss endlich Verantwortung übernehmen und legale Wege nach Europa eröffnen: Durch die Erteilung humanitärer Visa, die Umsetzung von großzügigen Resettlement- und humanitären Aufnahmeprogrammen, die Evakuierung der in Libyen unter qualvollen und menschenunwürdigen Bedingungen festsitzenden Schutzsuchenden, sowie die Ermöglichung von Familienzusammenführung.