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Menschenrechte? Hahaha! Darüber kann der sudanesische Präsident Omar Al-Baschir nur schmunzeln. Und obwohl der Internationale Strafgerichtshof ihn per Haftbefehl sucht, will die EU nun mit dem Sudan kooperieren. Da lacht das Despotenherz! Foto: Reuters / Mohamed Noureldin Abdallah

„Aus den Augen – aus dem Sinn“. Nach diesem Motto plant die EU Kooperationen mit ostafrikanischen Despoten, Diktatoren und gesuchten Kriegsverbrechern, um Flüchtlinge möglichst weit von Europa entfernt festzuhalten und sie sogar in die Verfolgerstaaten abzuschieben. Europas menschenrechtliche Grundwerte spielen offensichtlich keine Rolle mehr.

Laut gehei­men EU-Doku­men­ten, die jetzt öffent­lich gemacht wur­den, sol­len Schutz­su­chen­de bereits in Afri­ka an der Wei­ter­flucht nach Euro­pa gehin­dert wer­den. Dazu wird mit den Regie­run­gen von Län­dern wie Eri­trea, Soma­lia, Äthio­pi­en oder dem Sudan ver­han­delt. Auch „Rück­über­nah­me­ab­kom­men“ mit men­schen­recht­lich frag­wür­dig agie­ren­den afri­ka­ni­schen Län­dern will man forcieren.

In dem ver­trau­li­chen Pro­to­koll des Tref­fens der Bot­schaf­ter der EU-Staa­ten vom 23. März 2016, das dem ARD-Maga­zin Moni­tor vor­liegt, heißt es, die bespro­che­nen Infor­ma­tio­nen dürf­ten „unter kei­nen Umstän­den an die Öffent­lich­keit gelan­gen“. Dass die EU-Kom­mis­si­on und der Euro­päi­sche Aus­wär­ti­ge Dienst (EAD) an Plä­nen zur Abschaf­fung men­schen­recht­li­cher Grund­sät­ze arbei­ten, soll­te geheim gehal­ten werden.

Ostafrikanische Machthaber als Partner

Bereits am 30. März 2016 ver­öf­fent­lich­te die Orga­ni­sa­ti­on Sta­te­watch drei der vier Län­der­be­rich­te, wel­che bei dem Tref­fen dis­ku­tiert wur­den. EU-Kom­mis­si­on und EAD legen dar­in Ana­ly­sen und Emp­feh­lun­gen vor, wie die Koope­ra­ti­on mit den Macht­ha­bern des Sudan, Äthio­pi­ens und Soma­lia in den Berei­chen „Migra­ti­on, Mobi­li­tät und Rück­über­nah­me“ inten­si­viert wer­den könn­te. Der Län­der­be­richt zu Eri­trea konn­te im Vor­feld nicht zugäng­lich gemacht werden.

Dass es sich bei den Wunsch­part­nern um men­schen­ver­ach­ten­de Dik­ta­to­ren han­delt, wird in Brüs­sel schein­bar nicht als Pro­blem ange­se­hen – obwohl z.B. 2008 vom Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof in Den Haag ein Haft­be­fehl wegen Völ­ker­mor­des und Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit gegen Omar Al-Bas­hir, Macht­ha­ber im Sudan, erlas­sen wurde.

Abkommen trotz Menschenrechtsverletzungen

99,6%

beträgt die berei­nig­te Schutz­quo­te für Eri­tre­er in Deutschland. 

Im Fokus der EU ste­hen Plä­ne, Abschie­bun­gen in die Län­der zu for­cie­ren, denn die „Lage im Rück­füh­rungs­be­reich“ sei „unbe­frie­di­gend“, so die Dia­gno­se der Bot­schaf­ter der EU-Staa­ten. Im Län­der­be­richt zu Sudan wird bei­spiels­wei­se dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Rück­füh­rungs­ra­te von abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den mit 12% sehr gering sei, gleich­zei­tig gibt man aber zu, dass die Aner­ken­nungs­quo­te von suda­ne­si­schen Schutz­su­chen­den in Euro­pa mit rund 55 Pro­zent rela­tiv hoch ist.

Dass es sich bei den neu­en EU-Koope­ra­ti­ons­part­nern um pro­ble­ma­ti­sche Staa­ten han­delt, zei­gen auch die Aner­ken­nungs­quo­ten in Deutsch­land. Bei all die­sen Staa­ten lie­gen sie bei deut­lich über 20 Pro­zent, im Fal­le Soma­li­as (81,6 Pro­zent berei­nig­te Schutz­quo­te) und Eri­tre­as (99,6 Pro­zent berei­nig­te Schutz­quo­te) sogar noch erheb­lich höher.

Es gibt also gute Grün­de, aus die­sen Län­dern zu flie­hen. Die EU-Insti­tu­tio­nen sind sich des­sen bewusst, so heißt es im Doku­ment zu Äthio­pi­en, das Euro­päi­sche Par­la­ment habe in sei­ner Reso­lu­ti­on vom 21. Janu­ar 2016 die äthio­pi­sche Regie­rung auf­grund schwer­wie­gen­der und ver­brei­te­ter Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen vehe­ment kri­ti­siert. EU-Kom­mis­si­on und EAD plä­die­ren nichts­des­to­trotz auch für die Ver­hand­lung eines Rück­über­nah­me-Abkom­mens mit Äthiopien.

Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden von Problemstaaten

Außer­dem soll eine Mit­wir­kung der Staa­ten bei Migra­ti­ons­kon­trol­len und „Schlep­per­be­kämp­fung“ erreicht wer­den. Dazu will man die Zusam­men­ar­beit mit den Sicher­heits­be­hör­den aus­bau­en, z.B. durch einen „ver­bes­ser­ten Infor­ma­ti­ons­aus­tausch mit der Poli­zei“. Euro­pa plant also tat­säch­lich, Flücht­lin­ge wie­der ihren Ver­fol­gern aus­zu­lie­fern und die­se auch noch dabei zu unter­stüt­zen, Flucht über­haupt zu verhindern.

Die EU betreibt knall­har­te Inter­es­sen­po­li­tik und gibt die Men­schen­rechts­ori­en­tie­rung ihrer Außen­po­li­tik auf. 

Der Sudan bil­det nach Ansicht der EU-Insti­tu­tio­nen außer­dem das – stra­te­gisch wich­ti­ge – Zen­trum der „Migra­ti­ons-Schmug­gel-Rou­te zwi­schen dem Horn von Afri­ka sowie Ost­afri­ka und Liby­en bzw. Ägyp­ten“. Die suda­ne­si­sche Regie­rung soll daher auch dar­an mit­wir­ken, Migra­ti­ons- und Flucht­be­we­gun­gen in Rich­tung Euro­pa auf­zu­hal­ten. Dazu sol­len die bestehen­den Finanz­rah­men genutzt wer­den, u.a. die Pro­gram­me „Addres­sing Mixed Migra­ti­on Flows in Eas­tern Afri­ca” (6 Mio. Euro) und „Bet­ter Migra­ti­on Manage­ment in the Horn of Afri­ca” (40 Mio. Euro). Auch das Grenz­ma­nage­ment an der libysch-suda­ne­si­schen Gren­ze soll ver­bes­sert wer­den, was auch für die Gren­ze zu Eri­trea in Betracht gezo­gen wird.

Deals mit Menschenrechtsverletzern

3,1 Mio

Bin­nen­ver­trie­be­ne gibt es im Sudan. 

Um dies zu errei­chen, zie­hen die EU-Insti­tu­tio­nen weit­ge­hen­de Zuge­ständ­nis­se in Erwä­gung. Neben den finan­zi­el­len Anrei­zen will man auch poli­tisch unter­stüt­zend tätig wer­den und bei­spiels­wei­se die Locke­rung der US-ame­ri­ka­ni­schen Sank­tio­nen gegen den Sudan oder gar die Strei­chung des Lan­des „von der Lis­te ter­ror­un­ter­stüt­zen­der Staa­ten“ erwirken.

Die­se Stra­te­gie ist umso absur­der, blickt man auf die Situa­ti­on im Land: Der Sudan ist nach wie vor von gewalt­tä­ti­gen Kon­flik­ten erschüt­tert – ins­be­son­de­re in Dar­fur und im Osten des Lan­des bestehen die Aus­ein­an­der­set­zun­gen fort, die Situa­ti­on sei von Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und einer sich dra­ma­ti­schen sozia­len und wirt­schaft­li­chen Situa­ti­on geprägt, so der Län­der­be­richt. Im Land leben laut UNHCR 3,1 Mil­lio­nen Men­schen als Binnenvertriebene.

Diktatoren als Flüchtlingsrechtsbeauftragte?

Das Modell ist nicht neu: die Regime am Horn von Afri­ka sol­len in die euro­päi­sche Migra­ti­ons- und Flücht­lings­kon­trol­le mit ein­be­zo­gen wer­den. Dafür winkt die EU mit Anrei­zen und drückt bei Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen alle Augen zu. Als Gegen­leis­tung für die Zusam­men­ar­beit im Bereich Flücht­lings- und Migra­ti­ons­po­li­tik wer­den Wirt­schafts­hil­fen oder Visa­er­leich­te­run­gen in Aus­sicht gestellt.

Mit dem im Novem­ber 2014 lan­cier­ten Khar­to­um-Pro­zess wur­den die Wei­chen für die­ses neue Kapi­tel in Euro­pas fata­len Deals mit auto­ri­tä­ren Regi­men auf­ge­schla­gen. In den inter­nen Doku­men­ten wird die suda­ne­si­sche Regie­rung für ihre bis­her „kon­struk­ti­ve Rol­le“ im Khar­to­um Pro­zess gelobt.

Auf Anfra­ge von Moni­tor beton­ten sowohl die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on als auch der Aus­wär­ti­ge Dienst der EU (EAD), im Zen­trum der Bezie­hung zu die­sen Län­dern ste­he „der Schutz und die För­de­rung der Men­schen­rech­te“. Tat­säch­lich betreibt die EU mit ihrer Poli­tik der Exter­na­li­sie­rung von Grenz­kon­trol­len knall­har­te Inter­es­sen­po­li­tik und gibt die Men­schen­rechts­ori­en­tie­rung ihrer Außen­po­li­tik auf. Am Ende steht ein Pakt mit Des­po­ten – gegen Flüchtlinge.