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So sieht es an der türkisch-syrischen Grenze aus - hier bei Besarslan im Südosten der Türkei. Foto: Reuters / Umit Bektas

Die Grenze zu Syrien hat die Türkei mittlerweile mit einer Mauer abgeriegelt. Immer wieder berichten Flüchtlinge, dass dort auf sie geschossen wurde. Von europäischen Politikern hört man dazu jedoch nichts – und das hat einen Grund.

Es ist nichts neu­es, was der SPIEGEL ver­gan­ge­ne Woche berich­tet hat: Tür­ki­sche Sol­da­ten schie­ßen an der abge­rie­gel­ten Gren­ze auf Flücht­lin­ge. Sol­che Mel­dun­gen gab es schon im Som­mer, im Mai hat­te Human Rights Watch eini­ge sol­cher Fäl­le doku­men­tiert.

Immer wie­der wer­den dabei auch Men­schen getö­tet, die genaue Zahl ist unklar – die »Syri­sche Beob­ach­tungs­stel­le für Men­schen­rech­te« spricht von 163 bekann­ten Todes­fäl­len in die­sem Jahr, dar­un­ter mehr als 30 Kinder.

Verschärfungen seit dem Deal

Auch wer es in die Tür­kei schafft, ist nicht in Sicher­heit vor dem Krieg – er läuft Gefahr, sofort wie­der abge­scho­ben zu wer­den. Sol­che ille­ga­len Push-Backs waren zwar auch vor dem EU-Tür­kei-Deal bereits All­tag, die her­me­ti­sche Abrie­ge­lung und die Bru­ta­li­tät der Vor­ge­hens­wei­se an der Gren­ze haben sich aber ver­schärft, seit die Euro­päi­sche Uni­on im März den schmut­zi­gen Deal mit dem tür­ki­schen Prä­si­den­ten Erdo­gan abge­schlos­sen hat.

Bereits am 7. Janu­ar 2016 hat­te die Tür­kei die  Visums­pflicht für syri­sche Flücht­lin­ge ein­ge­führt – eine lega­le Ein­rei­se ins Land ist damit kaum mehr möglich.

2.350

syri­sche Flücht­lin­ge wur­den aus der Tür­kei auf­ge­nom­men – von der gesam­ten EU.

Europa? Schweigt.

Auf­fal­lend ist nun vor allem das Schwei­gen der euro­päi­schen Politiker*innen zu sol­chen Vor­fäl­len. Aber wen mag es auch wun­dern? Schließ­lich hat man den Flucht­weg über die Ägä­is weit­ge­hend ver­sperrt und ver­sucht, sich mit Mil­li­ar­den­zah­lun­gen der eige­nen huma­ni­tä­ren Ver­ant­wor­tung zu entledigen.

Behaup­tet wur­de, die Lage der syri­schen Flücht­lin­ge in der Tür­kei wür­de sich durch die Zah­lun­gen ver­bes­sern und außer­dem könn­ten zumin­dest eini­ge künf­tig im Rah­men von Resett­le­ment direkt von dort nach Euro­pa kommen.

Nur: Seit­dem hat sich wenig an den pre­kä­ren Zustän­den für Flücht­lin­ge in der Tür­kei geän­dert, wei­ter­hin gibt es kaum staat­li­che Unter­stüt­zung; die weni­gen, die eine Arbeits­er­laub­nis erhal­ten, wer­den auf dem Arbeits­markt oft aus­ge­beu­tet. Und auch das Resett­le­ment aus der Tür­kei funk­tio­niert nicht – nur 2.350 syri­sche Flücht­lin­ge wur­den über das Pro­gramm von allen EU-Staa­ten zusam­men auf­ge­nom­men.

Dass Men­schen, die vor Krieg und Ter­ror flie­hen, kaum noch Wege fin­den; dass an den Gren­zen sogar auf sie geschos­sen wird, das ist auch das Ergeb­nis der euro­päi­schen Flüchtlingspolitik.

Kaum Möglichkeiten mehr zur Flucht

Und auch die Tür­kei hat offen­bar kein Inter­es­se dar­an, noch mehr Kriegs­flücht­lin­ge im Land zu haben. Zuneh­mend wird ver­hin­dert, dass sie über­haupt noch aus Syri­en flie­hen können.

Das Resul­tat: Schutz­su­chen­de ster­ben nun nicht nur in der Ägä­is, son­dern eben schon an der tür­kisch-syri­schen Gren­ze. Noch wei­ter weg von Euro­pa, ganz so, wie es die euro­päi­schen Poli­ti­ker nach dem Mot­to »Aus den Augen, aus dem Sinn« in Kauf genom­men haben.

Leid­tra­gen­de sind die Men­schen, die aus dem bru­ta­len Krieg in Syri­en flie­hen möch­ten und im Kriegs­ge­biet gefan­gen sind – auch im syrisch-jor­da­ni­schen Grenz­ge­biet sit­zen Zehn­tau­sen­de in Lagern fest, zu denen nicht ein­mal die UN oder Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen Zugang haben. In Syri­en selbst gibt es dabei auch immer wie­der Angrif­fe auf Flücht­lings­camps.

Schüsse sind auch Ergebnis der EU-Politik

Dass Men­schen, die vor Krieg und Ter­ror flie­hen, kaum noch Wege fin­den; dass an den Gren­zen sogar auf sie geschos­sen wird, das ist auch das Ergeb­nis der euro­päi­schen Flücht­lings­po­li­tik – und nach dem glei­chen Kal­kül wer­den von der EU nun auch Koope­ra­tio­nen mit poli­tisch frag­wür­di­gen afri­ka­ni­schen Regie­run­gen vorangetrieben:

In der Hoff­nung, dass Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen gegen Schutz­su­chen­de noch weni­ger Auf­merk­sam­keit in der euro­päi­schen Öffent­lich­keit erre­gen, wenn sie denn auf ande­ren Kon­ti­nen­ten gesche­hen. Euro­päi­sche Wer­te im Jahr 2016.